Schicksal

„Wir haben gewonnen!“

Mit beschwingten Schritten lief Peter durch die Straßen seines Viertels. Immer wieder hämmerte dieser Satz in seinem Kopf. Doch er drückte nicht die ganze, schöne Wahrheit aus. Ein überglückliches Lachen zeichnete sich in seinem Gesicht ab, als ihm wieder und wieder die Bilder seines großen Triumphes in den Kopf kamen. Nicht nur das Peters Mannschaft gewonnen hatte, nein er selber hatte das entscheidende Tor geschossen. Ach was, geschossen. Es war eine Rakete, die er hat fliegen lassen. Schnurrstraks auf das Tor zu. Unhaltbar in den Winkel. Bevor der Torwart die Situation erkennen und die gegnerische Granate entschärfen konnte, zappelte diese schon im Netz. Der Schütze hatte keine Ahnung, wie ihm dieser Schuss gelingen konnte. Umso mehr freute er sich über seinen Streich. Über seinen ersten gelungenen Streich. Und nichts war ihm im Moment wichtiger, als diesen seinem Vater zu erzählen.

Peter hatte gerade seinen achten Geburtstag gefeiert und war ein aufgeweckter Junge. Er schien immer etwas langsam und behäbig zu sein und hatte hier in der Kleinstadt nur sehr wenige Freunde. Nicht das er irgendwie unbeliebt gewesen wäre. Aber hier im Viertel, der etwas betuchteren Bürger, gab es nur wenige Kinder in seinem Alter. Nur wenige Straßenzüge weiter unten aber, tummelten sich die Kinder jeden Alters. Sein Vater mochte es aber nicht, dass er zu ihnen ging. Er sollte sich nicht herum balgen mit diesen Lümmeln. Keine krummen Dinge kennenlernen. Diese Kinder waren einfach kein Umgang für ihn. Daher hatte der, immer in hübschen Designerklamotten gekleidete, kleine Zögling stets etwas trauriges in seinem Blick.

Manchmal stand er einfach nur schweigend in der menschenleeren Straße zu seinem Elternhaus und schaute hinunter, wo der Lärm der spielenden Kinder zu ihm hinauf drang. Es zog ihn förmlich nach unten. Aber nein. Er durfte nicht zu diesen Kindern hinunterstoßen und mit ihnen fröhlich sein. Also machte er kehrt und lief den Berg hinauf, wo der große Fußballplatz war. Hier hatte ihn sein Vater angemeldet. Sicher, Fußballspielen machte Spaß, wenn man das Talent dafür hat. Dann ist man in jeder Mannschaft willkommen. Peter war aber einfach zu langsam. Nicht nur beim Laufen. Auch bei seinen ganzen Aktionen. Immer kam er ein bisschen zu spät. Es war schwierig eine Position für ihn zu finden. In der Abwehr gedanklich zu langsam, im Mittelfeld läuferisch eine sprichwörtliche Schnecke, und im Sturm, nun sprechen wir nicht davon. Einfach kein Instinkt. So stand niemals sein Namen in der Aufstellung zu einem Spiel. Die Interventionen des Vaters beim Trainer brachten überhaupt nichts.

„Peter ist noch nicht so weit. Das Spiel überfordert ihn. Geben Sie ihm Zeit sich zu entwickeln. Er hat es verdient!“

Aber der Vater war nicht zufrieden damit. Immer wieder zeigte dieser seine Enttäuschung und schimpfte, dass Peter sich in der Mannschaft nicht durchzusetzen vermochte. Peter kämpfte, aber er verkrampfte dabei nur noch mehr.

Am Anfang war der Vater noch mitgekommen, wenn die Mannschaft seines Sohnes zu spielen hatte. Aber dieser saß ja meistens auf der Bank und wurde selten doch noch ins Spiel geschickt. Irgendwann war er dann einfach nicht mehr zu den Spielen erschienen.

Dann kam der heutige Tag. Peter wurde eingewechselt. Er war nervös, aber bereit, den Kampf aufzunehmen. Seine zugeteilte Position war im Sturm. Dann kam die Flanke. Der Ball sprang direkt vor seinem Fuß. Und im Reflex schoss er. Und er trat nicht über den Ball, traf ihn optimal. Dieser zischte ab. An den verdutzten Torwart vorbei. Seine Mannschaft hatte gewonnen. Durch ihn gewonnen.

Peter eilte heim. Er konnte gar nicht schnell genug gehen. Er lief, er rannte. Er musste es seinem Vater erzählen. Immer wieder flossen die glorreichen Bilder durch seinen Kopf. Immer wieder hämmerte der Satz.

Dann erreichte er die elterliche Villa. Seine Augen strahlen. Er war voller Aufregung. Ungeduldig lief er zur Tür, Klopfte. Klopfte wieder. Es konnte gar nicht schnell genug gehen. Es kam keine Antwort. Voller Ungeduld lief er um das Haus herum. Die Terrassentür war geschlossen. Wieder zur Haustür. Klopfen. Vater musste ihn doch hören. Er war daheim. Sein Auto stand doch da.

„Papa, Papa, wir haben gewonnen!“

Wieder klopfte er.

„Papa, wir haben gewonnen, durch mich! Ich habe das Tor geschossen!“

Alles blieb still.

Papa konnte es nicht mehr hören. Konnte nie mehr erfahren, was für ein Held sein Sohn geworden war. Er konnte nie mehr etwas erfahren. Sein Herz! Es hat ihm in Stich gelassen.

Er war gegangen. Für immer gegangen.

 


Hintergrund der Geschichte:
Es gab eine Liste mit, in der Runde willkürlich gesammelten 15 Stichworten. Diese sollten in einem beliebigen Text verarbeitet werden. Eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt, für mich, da ich zunächst keine Geschichte vom Anfang zum Ende denken konnte. Erst als ich die Stichworte vergass, die Geschichte schrieb und anschließend alle Stichworte einfügte, könnte ich die Aufgabe erfüllen.


2,5 Seiten